Leistungssteigerungen im Langstreckenbereich in der Größenordnung von 15% bis über 20% innerhalb von 2-3 Jahren sind nicht die Regel, kommen aber im Einzelfall vor …
… individuell ist dies aber durchaus real … Langstreckler mit „nur“ 10% Erfolgsquote oder auch weniger sollten dennoch weiter lesen und sich überraschen und motivieren lassen. Das ist der „tiefere“ Sinn dieses „(Folge-) Artikels“.
… klammert man zunächst die „Fälle“ der so genannten Frühentwickler aus …
Im Laufe dieser Abhandlung werdet Ihr mit zwei fiktiven und „liebenswerten“ Läufern aus dem ostfriesischen Emden konfrontiert.
Man erkannte damals schon, dass Beide ein gehöriges Maß an SISU* (finnisch: Ehrgeiz, Beständigkeit, Durchhaltevermögen u.ä.) ihr Eigen nennen konnten.
Die dazu gehörigen Eigenschaften kristallisierten sich bald während eines Zwiegesprächs, besser Fachgesprächs, unter (damals noch ganz alltäglichen) Laufsportlern heraus.
Da ging es nicht immer ganz humorvoll zu, aber doch realitätsnah um enttäuschte Erwartungen, was Leistungen, Training, Rückschläge betraf. Es wurden Lösungen gefunden … und heute, da gibt es wieder ein solches Gespräch unter ihnen – völlig andere Vorzeichen – entpuppt sich doch der eine der Protagonisten als „Senkrechtstarter“.
Es stellt sich aber schnell heraus, dass er seine gewaltigen Leistungssprünge weder zufällig erreicht hatte noch , dass diese Person, die dazu in der Lage war, in irgendein Schema gepasst hätte…
Lasst Euch also überraschen, was nach etwa 2 Jahren „passiert“ ist …
… wie gesagt, beide beseelt vom Erfolg …
… der Eine: Frerk, Mitte 40, Lauf-Quereinsteiger, und „damals“ Lehrmeister und Vorbild eines gewissen Hein, damals nicht schon 25 J. jung, sondern heute gerade erst 21 Jahre „alt“ … deutete schnell an, dass in ihm „etwas steckt“.
Er kann von sich behaupten, früher nie Kontakt zum Leistungssport gehabt zu haben, fast nie privat in irgend einer Form sportliche Ziele verfolgt zu haben … Er hatte, familiär bedingt, in seiner Freizeit, auch in der Schulzeit, einfach ausgedrückt, sportlich gelebt, hier und da etwas für seine Fitness und sein körperliches Erscheinungsbild getan. Dieses beschränkte sich zum Großteil auf Bodybuilding und Radwandern sowie, wie konnte es anders sein, auf den „ostfriesischen Nationalsport, das Boßeln … nicht ungewöhnlich für einen jungen Mann … und durchaus nicht „voraus ahnbar“, dass sich hier etwas ganz Besonderes entwickelte …
Hier nun die „Fortsetzung“ dieses ganz besonderen Dialogs …
… quasi eine nicht alltägliche Erfolgsgeschichte mit den „verantwortlichen“ Trainingsmethoden und gleich mitgelieferten Trainingsplänen — in Erzählform, unschematisch, aber unterhaltsam und das äußerst realitäts-nah …
Es lohnt sich, das ganze Gespräch zu verfolgen, denn so viel Information, auch wenn die „Beiden“ rein fiktive Personen sind, sind nicht unbedingt ad-hoc zu erwarten, dazu kommt der „sportliche Charm“, der die Wiedergabe dieses Dialogs prägt …
In zusammen gefasster Form gibt es zusätzlich den eingefügten Sommer- und Winterplan!
Hein: steht im Zielbereich der 10000m, kann sich ein Grinsen kaum verkneifen, als Frerk nach fast genau 44:00 min sprintartig über den Zielstrich läuft, trabt etwas neben ihm her und greift ihm stützend unter die Arme
Frerk (keuchend) Moin! Kennt man sich? Verwechseln Sie mich nicht?
(Muss jetzt tief Luft holen) Hein: Zieh Dir erst mal was über, Frerk, alter Kumpel! Frerk (nun vollends verwirrt, ihm stockt der Atem) Eh! Ooh! Wat is denn dat? Dat kann doch nich! Hein? Hein:
Hast geraten? Stimmt aber, wie er leibt und lebt! Frerk: Nee, nich ganz! Dien moder het mie eens vertellt: „De Jung is so wat von dünn wor’n …“ Ich hab‘ Dich anfangs nicht erkannt, sorry! Hein: Hab‘ ja auch 15 kg weniger als ich damals nach Berlin an die TU ging Frerk: Das ist unglaublich! Austrainiert bis in die Zehenspitzen! Läufst Du mittlerweile die 42:00? Hein: Nee, um die 38′ . Muss aber jetzt schnell weg. Wir treffen uns gleich im Clubhaus, wie in alten Zeiten. — Nach einer halben Stunde gesellt sich Hein zu den Emdern, stellt ganz vorsichtig einen Pokal auf den Tisch … Frerk (ahnt schon etwas, grinst, der Rest der Gruppe reisst, wie auf Kommando, den Mund auf) Wer hat Dir den denn geschenkt? Das ist doch der Wanderpokal, wem hast Du den denn abgeluchst? Hat irgendwer Hein am Start gesehen? Ein anderer Emder: Du hast die 5000 m gewonnen? — Die Stimmung schlägt in Begeisterung um — Hein: Ja, so war es Frerk: Mir bleibt die Spucke weg … welche Zeit?
Hein: Kann zufrieden sein, etwas unter 18:00, die Strecke war aber fast 100 m zu kurz Frerk: Das ist verdammt noch mal „erste Sahne“, zumal bei den miserablen Bedingungen. Waren die beiden holländischen Brüder wieder dabei? Die können doch unter 17′ laufen! Hein: Ich glaube, ja. Ich kannte die gar nicht. Hab‘ sie ausgerechnet auf dem Deich bei Gegenwind abgehängt, war das gar nicht mehr gewöhnt, im Ziel waren es dann fast 30 sec. Frerk: Du weißt aber, dass die Zeit gut 36:30 auf 10000 m wert ist, bei optimalen Bedingungfen!? — Hein reagiert nicht — Nimm das doch etwas ernst, stell Dein Licht nicht unter den Scheffel! Aber warum bist Du nicht die 10 km gelaufen, hättest bequem bei den Junioren gewonnen? Hein: Mein Trainer hat mir zu den 5000 m geraten, weil in 14 Tagen ein 10-Meilen-Lauf ansteht, wofür ich noch etwas Tempohärte brauche. Frerk: Mann oh Mann, hast Du Dich entwickelt! Wenn ich so rechne … das ist ja eine Verbesserung von mindestens 10′ über die 10000 m. Da bin ich ja ein Waisenknabe mit meinen 44:00 heute … Hein: Nun sei auch Du nicht so bescheiden, diese Zeit bei diesen Bedingungen, und die Strecke soll gestimmt haben, die Zeit wäre eine gute 43 min-Zeit, 6′ Verbesserung! Ihr wart hier auf dem Land (grinst) trainingsmäßig wohl auch nicht untätig … Frerk:
Stimmt! Aber wir wussten nichts von Deinem Training. Lass jetzt endlich die Katze aus dem Sack. Hein:
Sagte ich doch schon, 15 kg abgespeckt. Frerk: Das kann doch nicht alles sein, zumal Du nie übergewichtig warst, nur durch Dein Krafttraining sehr muskulös. Hein: Ich trainiere zwei mal alleine und 3 mal in der Woche in einer Riesengruppe unter Läufern mit pertsönlichen Bestzeiten ab 34 min bis hin zu 36-37min, auch einige schnelle Mittelstreckler dabei, viele ausländische Studenten. Wir haben zwei hervorragende Trainer, ein ehemaliger deutscher und Europameister (Uli S.), u.a. in der Halle und einen ehemaligen 3:45 min – Mann über 1500m, der heute die längeren Bahnstrecken läuft. Wir haben die idealsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann, viel Natur, Tartanbahnen, eine zur TU gehörige Mehrzweckhalle und massig Konkurrenz. Die beiden Trainer wollen mich ab Mai nur noch bis 3000m im Wettkampf laufen lassen, im Herbst dann eventuell längere Straßenstrecken.
Im Grunde habe ich wenig Zeit, das Zeitmanagement lernt man aber schnell. So traineren wir Dienstag und Donnerstag jeweils äußerst hart, auch im Winter. Am Wochenende, wenn kein Wettkampf ansteht, gibt es einen langen bis sehr langen, wir nennen ihn „Supersauerstofflauf“, der fast gemütlich gelaufen wird. An diesem Tag werden die Reserven vorbereitet, die Lockerheit für die kommenden harten Tage. Das Prinzip ist, dass man zwei „Extreme“ miteinander verbindet: das fast erschöpfende, teils sehr anaerobe Laufen von Teilstrecken, d.h. intervall-mäßig im Sommer oder an anderen Tagen das Tempolaufen, weit schneller pro km als die Hauptwettkampfstrecke. UND: das sehr ruhige und entspannte Laufen ab 2 Std bis hin zu 2½ Std. Ich hab‘ für Euch …
Die Ereignisse haben sich in kürzester Zeit überschlagen … überragende Nachrichten machten Schule ⇒
… hier ein paar Notizen, wie bei uns in Berlin trainiert wird, grob unterteilt in „Sommer“ und „Winter“
Dienstag 3 km Eintraben, später 3-5 km Austraben
Winter: Hartes Fahrtspiel in schwerem Gelände mit Hügelsprüngen, Antritten an Hügeln diverser Neigung, Bergabläufen/ Total über 8-10 km
Sommer : Nach Eintraben ⇒ 5 Steigerungen a 150 m, lange Pause, 5 weitere Steigerungen bis 100 m, davon 50 m voll, lange Pause, 10-15x 30m (voll ) im Wechsel mit 10-15x 30 m schnell/entspannt, lange Pause. ⇒ Haupttraining: im Wochenwechsel 5x800m bzw 10x 300 m/Pausen: 200 m bzw 100 m Trab/ Tempo der 800m: 3000m ∅/T der 300m: 95%
Bemerkung: Man läuft nach Gefühl, der Trainer nimmt die Zeiten und präsentiert alle 4-6 Wochen die Fortschritte
Donnerstag Ein-/Austraben: wie Dienstags
Winter: Geländelauf über (Umfangssteigerung nsch 4-6 Wochen) ab 15 km mit Belastungen ab ca. 2 min bis hin zu 6 min, Pausen 50% der Belastungslänge/locker, immer unter Ausnutzung des Geländes, Anzahl der Bel.: anfangs 12-15, ab April 15-20, Pausen: 50% der Belastungslänge
Sommer: nach Eintraben 5x 200m in 95% (also sub-maximal) P.: 5′ Trab/Serienpause: 8-10′ ⇒ 5x 600 m ( 2000m ∅) mit 100 m Weiterlaufen in 10% weniger Aufwand/P.: 300m Gehen/etwas Traben
Samstag/Sonntag
Winter: Dauerlauf/ ab 22 km bis 26 km/ Monat für Monat um 2 km steigern/ Tempo: 50% (Trainer nimmt Zeit/Intensität wird im Laufe der Trainingsperiode immer beibehalten/ Zeiten werden alle 4 Wochen verglichen
Sommer: Dauerlauf 18-20 km/ nach Beendigung. P.: 5′ ⇒ 5x 100m Steigerungen in 90-95%
Mittwoch & Freitag ... Winter&Sommer weitgehend identisch
ruhige Dauerläufe ∅ 10 km ⇒
Mi: in nicht mehr als halbem Krafteinsatz! — Freitag: ab 3. km b. 8. km in 75%
Ich mache diese Läufe morgens vor den Vorlesungen, nachmittags folgt in der Halle ein „Körpertraining“ auf Kraftausdauerbasis mit freien Hanteln und an Kraftmaschinen.
An Sonntagen, sofern die Witterung es zulässt, fahre ich zusätzlich 1½-2 h MTB, nicht der Trainingswirkung willen, jedoch darauf bedacht, dass die „Umdrehungszahl“ immer in der Nähe von 100/min liegt. D.h.: ich fahre ausschließlich in leichten Gängen, wobei das Tempo zweitrangig bleibt
Einige Bemerkungen: 50% Intensität bedeutet: in halbem Krafteinsatz Pausen werden nur als Geh- bzw als Geh-/Tabpausen durchgeführet, wenn es so angegeben ist, ansonsten wird nach Belastungen ruhig/locker weiter getrabt. Lange Pausen: mindestens 6 min, nie herumstehen, lockern, etwas traben
2000 m-∅ : Durchschnittstempo der (falls unbekannt, errechneten) 2000 m-pers. Bestzeit
D i e Trainingsform mit zusätzlicher Trainingswirkung: siehe obiges Beispiel
⇒ bei den 5x 600 m Tempoläufen wird nach 600m nicht sofort in die Pause übergegangen, sondern es werden weitere 100m (auch bis 200 m) in leicht vermindertem Tempo weiter gelaufen, die Pause erfolgt erst darauf! ABER: Im Intervalltraining, also bei Läufen im Renntempo einer bestimmten Wettkampfstrecke und mit anschließend sehr kurzer Trabpause, wird so nicht verfahren!!!
Man wirft erste Blicke auf den Kurz-Trainingsplan, dann geht das Gepräch weiter …
Ein anderer Emder: Auf wie viele km kommst Du so im Schnitt? Und wie trainieren 48 min-Läufer, wie wir es alle sind? Hein: Wir trainieren ja im 3-Wochen-Rythmus, d.h. nach 2 Wochen folgt eine Regenerationswoche. Dann wird ungefähr 20-25% an Umfang, aber auch die Belastungen werden reduziert, alles abhängig, ob Wettkämpfe voraus gingen oder nur Training. Aber grundsätzlich ist unser Training Intenstäts-orientiert, da wir ja nicht auf Halbmarathon oder Marathon gehen wollen. Also, im Winter weden es in den beiden „normalen“ Wochen jeweils um die 70 km, im Sommer, wenn die Intervalle und Tempoläufe Priorität haben, komme ich auf etwa 50-60 km. Ja, und wie solltet Ihr trainieren? Im Prinzip genauso! Jeder Organismus ist mehr oder weniger gleich! Wenn ich eine Strecke in 50% laufe, ist das Tempo zB 5:30 pro km, bei Euch wird es bei 6:15 pro km liegen. Und wenn ich von Durchschnittstempo auf Basis Eurer 3000m Bestzeit rede, müsst Ihr Euch diese ausrechnen oder schätzen, um in diesem Durchschnitt zB 5x 800 m zu laufen. die Pausen bei solchem Training werden etwas länger als bei mir, die Wiederholungen einige weniger unter Umständen. Auch kommt Ihr mit 4 Tagen Training gut aus, und der lange Lauf am Wochenende wird nicht länger als 22 km im Winter. So werden die Gesamt-km vielleicht 50 km im Winter und 35-40 km im Sommer. Die hohen Intensitäten im Sommer vor allem sind auch bei Euch das A und O, um schneller auf zB 5000 oder 3000 m zu werden. Frerk: Du hast vorhin gesagt, Dein Trainer hätte Dich nur für die kürzeren Bahnstrecken vorgesehen, warum? Hein: Ich denke, er hat die Erfahrung, er hat auch einige Werte von mir, und er hat mich über 100 m stehend in blanken 12 sec gestoppt, auch über 400 m im Training bin ich schon unter 55 sec gerannt. Die kurzen Sachen machen mir, ehrlich gesagt, mehr Spaß. Trainer meint, er könne mich noch dieses Jahr auf 4:15 und auf 9:20 über 3000 bringen, dann auch noch auf 16:30 und, so ganz nebenbei, auf unter 35 min über 10 km im Herbst. Er hat mal gesagt, in seinem Jargon, dass er es ganz „sutje“ mit mir, und nicht nur mit mir, angehen will. Er ist, das weiß ich heute, ein Trainer „mit Händchen“, feinfühlig, macht nichts mit der Brechstange. Ich lass all das auf mich zukommen. Frerk: Hein, nochmals, ich bin einfach sprachlos, verneigen kann ich mich nicht vor Dir, dazu bist Du mir zu jung! Und was planst Du nach Deiner Zeit in Berlin? Sicher wirst Du sportlich ’ne Menge vermissen. Hein: An den Zeitpunkt denke ich mit gemischten Gefühlen! In sportlicher Hinsicht hast Du Recht! Beruflich hab‘ ich Glück gehabt und jetzt bereits eine Anstellung in Delfzijl gefunden, das holländische Städtchen kennt Ihr ja alle. Ich bin dann Schiffbau-Ingenieur bei einer Firma, die Segler und kleine Yachten baut. Die Firma verfolgt ein sehr modernes Management, ist international aufgestellt, Mitinhaber ist der Onkel meiner jetzt 2 Jahre bestehenden Freundschaft mit einer lieben Holländerin. Sie gehört zu den Top-Duathletinnen in Holland und wird ganz sicher meine erste vollwertige Trainingspartnerin. Vollwertig deshalb, denn sie läuft 10000 m in unter 37 min und den Halbmarathon sogar unter 1 Std 20 Frerk: Du bist ein Glückspilz! Aber, dass Du Holländer werden willst, macht mich betroffen (grinnst, etwas verzögert) Hein: Das mag schon, das mit dem Glückspilz, aber bald werde ich mehr dafür tun müssen, das ist mir klar. Ich bleibe Emder, und das so lange ich lebe. Und in 1 Stunde kann ich bei Euch sein!
Man sitzt noch lange zusammen, spricht über dies und das und verabschiedet sich am späten Abend …
P.S.: 14 Tage nach seinem siegreichen 5 km-Wettkampf gelang Hein eine Zeit von 58:50 (seine wohl bisher wertvollste Leistung) über die 10-Meilen-Distanz. Der Lauf fand in Frankfurt/Oder statt, unter starker polnischer Beteiligung, Teilnehmerzahl: über 500, Hein wurde Gesamt-20., bei den Junioren belegte er einen 4. Platz